Eigentlich wollten wir schon so lange wir brauen und wissen, dass es Hobbybrauermessen gibt, an so einer Veranstaltung teilnehmen.
Klar waren wir schon bei Brauer-Stammtischen, aber so ein ganzes Wochenende mit Seminaren und Möglichkeiten zum Austausch ist dann doch noch einmal etwas anderes.
Leider fällt die wohl relativ weitläufig bekannte HBCon meist mit einem anderen Pflichttermin in unserem Kalender zusammen, sodass wir bis letztes Jahr unseren Wissendurst anderweitig stillen mussten.
Glücklicherweise hat die Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer in Deutschland 2023 beschlossen, auch Nicht-Mitglieder zu ihren Haus- und Hobbybrauertagen (HHBT) im September zuzulassen.
Als wir davon erfuhren, waren wir mitten in der Urlaubsplanung und da die HHBT in Oldenburg stattfinden sollten, war schnell eine Reise an die Nordsee mit Zwischenhalt organisiert.
Allgemein
Die Anmeldung für die HHBT lief ein wenig altmodisch per Post ab.
Auf der Website der Veranstalter gab es dafür ein Formular, dass man ausdrucken und mit Informationen zu Seminar- und Essensteilnahmewünschen befüllen durfte.
Merken: Für die Zukunft empfiehlt sich eine Kopie des Formulars für die eigenen Unterlagen!
Das ist sonst weg!
Wir mussten später aufwendig aus den Preislisten rekonstruieren, für welche Teile der Veranstaltung wir uns eigentlich angemeldet hatten.
Wer am Wettbewerb für das beste Bier teilnehmen wollte, tat das ebenfalls auf dem Formular kund und konnte auch über den Verein passendes Malz für die drei vorgeschlagenen Bierstile bestellen.
Die Antwort auf unsere Post war übrigens ein knappes „Anmeldung eingegangen“ (nur minimal redaktionell gekürzt, aber im Kern das).
Immerhin per E-Mail, aber da hätte wir uns ein zwei Sätze mehr gewünscht, z.B. ob das bedeutet, dass wir an den Seminaren mit beschränkten Plätzen auch tatsächlich teilnehmen können.
Aber man lernt ja immer dazu und wir haben den Punkt auch im Feedback-Formular angeregt.
Der Veranstaltungsort wechselt jährlich und so kam die HHBT 2023 in Oldenburg unter.
Genauer gesagt in einer Tanzschule im Süden der Stadt, was trotz Getränkeverbotsschildern aus dem Regulärbetrieb eigentlich recht gut ankam.
Verpflegung kam von einem Caterer, und man konnte sich – sofern gebucht – am Buffet bedienen.
Soweit so unaufregend, Vegetarier hatten es insgesamt etwas schlechter als Fleischesser, aber die Hobbybrauerin kommt ja wegen des Bieres.
Insgesamt waren die HHBT2023 eine sehr schöne Veranstaltung.
Die Organisatoren waren immer ansprechbar und hilfsbereit.
Als wir beispielsweise etwas zu spät zur Verköstigung der Referenzbiere für den Brauwettbewerb ankamen, hat uns sofort jemand aus dem Team noch das verpasste Bier organisiert und uns ab dann auch gleich prima eingebunden.
Bierwettbewerb
Der bereits angesprochene Brauwettbewerb findet wohl jedes Jahr im Rahmen der Haus- und Hobbybrautage statt.
Nun ist die Veranstaltung schon ein paar Tage her und wir konnten aufgrund der auf Retrospektive umgebauten Website nicht mehr genau nachhvollziehen, wie der Wettbewerb beworben wurde und wie die Teilnahme abzulaufen hatte.
Der Wettbewerb fand in den drei Kategorien Norddeutsches Rotbier, New England IPA, Dunkler Weizendoppelbock statt.
Da die vorgegebenen Stile allerdings nicht so richtig unserer Brautradition entsprechen, haben wir aber auch nicht versucht, eine Extrabrausession einzuschieben und so lief der Wettbewerb für uns wie folgt ab:
Am ersten Abend wurde für jede Kategorie ein Refernzbier vorkostet, damit jeder etwas mit den gefragten Stilen anfangen konnte.
Beim anschließenden OpenTap konnten wir dann einige Kandidatenbiere (und auch allerlei darüber hinausgehendes Selbstgebrautes) probieren.
Norddeutsches Rotbier
Obwohl wir eine Weile in Norddeutschland ansässig waren, war das Norddeutsche Rotbier etwas eher Neues für uns.
Als Referenzbiere für diesen Stil wurden auf den HHBT Union Rotbier und Klüvers Rotbier präsentiert.
Beide schmeckten aus unserer Sicht ganz okay, aber wenn auch anderes angeboten wird, wäre es wahrscheinlich nicht unsere erste Wahl.
New England IPA
Als Referenz für das New England IPA dienten BrewDog Hazy Jane & Hertl’s Onkel Jim.
Leider waren sich alle im Raum schnell einig, dass sich Onkel Jim eher so am unteren Rand der Skala befindet.
Der Dozent des Fehlaromenseminars, das wir im Laufe des Wochenendes besuchen würden, warf ein, er könne Metallisches herausschmecken.
Also war es vielleicht einfach eine verunglückte Charge?
Wir werden jedenfalls mit den Bieren von Hertl’s nicht so richtig warm und das hat uns darin eher nochmal bestärkt.
NEIPA als Stil hingegen kennen wir schon und trinken es immer wieder ganz gerne.
Dunkler Weizendoppelbock
Die Referenz für den Weizendoppelbock waren der Dunkle Weizenbock von Plank-Bier und der Aventinus aus dem Hause Schneider.
Beides sehr solide Biere, die schnell betrunken machen und deutlich in die Bananenecke gehen.
OpenTap
Beim OpenTap am Freitagabend konnten Brauerinnen und Brauer um die Gunst der anderen Besucher buhlen.
Wer wollte, konnte sein Selbstgebrautes feilbieten und das Publikum durfte durch Befüttern der auf die Tische verteilten Sparbüchsen über seinen Liebling abstimmen.
Dafür hatte bei der Registrierung jeder fünf Plastikmünzen erhalten.
Ein Till aus der Umgebung von Hannover hatte beispielsweise ein Wildhopfen-Pilss, ein Cold IPA und einen Broyhan dabei.
Die fanden wir so überzeugen, dass wir gleich zwei Münzen dagelassen haben.
Den Rest verteilten wir auf das Herrenholzer Waldpils, ein Kirschbier und verschiedene NEIPAs.
Natürlich gab es auch Fails.
So wissen wir jetzt, dass wir kein Ahornsirup in Bier geben werden und Wurstaromen mögen wir auch nicht so.
Dafür konnten wir unsere Idee, Bier auf Frucht stehen zu lassen, gut promoten.
Viele der Anwesenden trauen sich das nicht, weil sich da leicht Schimmel bilden kann.
An dieser Stelle einen lieben Gruß an das derzeit im Keller gehrende Brombier <3.
Biergläser-Seminar
Nicht unwesentlich für unsere Entscheidung nach Oldenburg zu fahren, war das Biergläser-Seminar.
Als rege HHopcast-Hörer, hatten wir schon Einiges über das andere Geschmackserlebnis mit speziellen Gläsern gehört.
Ehrlich gesagt klang die entsprechende Episode allerdings fast schon nach einer Werbesendung für den Hersteller dieser speziellen Craftbiergläser und wir wollten es nicht so ganz wahrhaben (lustigerweise ging es einigen der Ausrichtern ähnlich diesbezüglich und so kam das Angebot zustande).
Neugierig waren wir aber schon, also wollten wir den Unterschied einmal selbst schmecken, bevor wir irgendwas investieren.
Am Samstagvormittag haben wir uns also mit anderen Neugierigen getroffen und im Laufe des Seminars unterschiedliche Biere jeweils aus einem speziellem Glas und zum Vergleich aus einem klassischen „Willibecher“ (so ein gut stapelbares Glas, was relativ gerade nach oben geht und in vielen Kneipen gereicht wird) trinken dürfen.
Fun Fact: Jeder hat beim Seminar ein Set Gläser mitbekommen.
Damit war die Kaufentscheidung abgenommen.
Unsere Quintessenz des Seminars in knappen Worten: Der Unterschied ist beeindruckend, erfordert aber, dass man bewusst auf die Details achtet.
IPA-Glas mit Atlantik Ale von Störtebeker
Folgende Unterschiede konnten wir für das Spezialglas im Gegensatz zum Willibecher ausmachen:
- Bier wirkt weniger malzig
- mehr und stabilerer Schaum
- wahrnehmbare Hopfennoten (wirklich gar nicht im Willibecher)
Jan sagt: wahrnehmbarer Unterschied, hätte mehr erwartet, kann aber an der Wahl des Bieres liegen.
Atlantik Ale ist kein IPA und je nach Sud auch relativ malzig
Weizenglas mit Chiemsee Wit von Camba
Hier gab es einen größeren Unterschied als beim IPA-Glas:
Ein ganz anderer Geruch, deutlich feinperliger.
Wir sind gespannt aufs Docroot daraus (Spoiler, weil das ja jetzt Monate her ist: das Docroot trinkt sich sehr gut aus dem Weizenglas).
Stout-Glas mit Roundhouse Kick von Crew Republic
Das Spezialglas bietet:
- definierteren Geruch
- wieder das angenehmere Mundgefühl wie schon zuvor beim Witbier
Der Unterschied im Geschmack war an dem Punkt am deutlichsten.
Hier kann der Jan sagen: Aus dem Spezialglas macht das Bier Spaß, aus dem Willibecher nicht. (Der Julia macht das nie wirklich Spaß, weil Stout.)
Konkret heißt das: Der Willibecher verwandelt das Roundhouse Kick in ein röstig-malziges, sehr bitteres Bier, das an alten kalten Kaffee erinnert.
Am Tisch waren wir alle ein wenig angeekelt.
Aus dem Spezialglas hat man die Schokoladenaromen in der Nase und durch das perligere Gefühl im Mund beinahe etwas Kakao-artiges.
Barrel-Aged-Glas mit Carribean Rum Cask von Innis & Gunn
Das schwierige an diesem letzten Glas war, dass wir hier eine für uns neue Welt betreten haben.
Und das Innis & Gunn dürfte unsere größte Neuentdeckung des Jahres 2023 sein.
Aus beiden Trinkgefäßen schmeckte es sehr gut.
Wir haben es inzwischen mehreren Gästen vorgeführt, die es auch mögen.
Allerdings haben es nicht alle aus dem Spezialglas kredenzt bekommen.
Unser Eindruck von diesem Seminar, dass da eine ganz starke Reminiszenz an Cuba Libre drin steckt, konnten daher nicht alle Besucher*innen nachvollziehen.
Das kann natürlich an äußeren Faktoren liegen, wir schieben es aber tatsächlich aufs Glas.
Allgemeine Beobachtungen
Allgemein konnten wir festhalten:
- Die Form des Glases hält die Aromen zusammen, die Nase bekommt dann einen höheren Anteil bei der Geschmacksbildung.
- Der feinere Strahl beeinflusst das Mundgefühl
- anderes Aufschäumen
- feineres Lösen des CO2
- Bedingt durch Krümmung, Dicke und Öffnungsradius des Glases ist die Kopfhaltung beim Spezialgefäß anders als bei Standardgläsern: Das Bier trifft an die gewünschte Stelle auf der Zunge und nicht irgendwo im Mund.
- Alle Gläser (außer dem für die Barrel Ageds) haben einen Knick, also einen unteren Bereich, der leicht konisch ist, und darüber einen bauchigeren Bereich. An diesem Knick bildet sich bei jedem Schluck neuer Schaum als Aromadeckel. Das kann natürlich auch nachteilig sein, weil dadurch die Biere schneller schal werden.
Ansonsten wiederholen wir nochmal die Quintessenz von oben: Es war beeindruckend und die Gläser machen uns noch immer Spaß.
Fehlaromenseminar
Endlich ein Fehlaromenseminar.
Der zweite wichtige Grund auf die HHBT zu fahren.
Was lernt man da? Natürlich, wie Bier nicht schmecken soll.
Grundlegende Vorgehensweise: In zwei Runden werden jeweils 5 Fehlgeschmäcker getestet.
Ausgeteilt wurden 6 Gläser je Person (für 5 Fehlgeschmäcker + eine Referenz), zur Mitte gab es eine Spülrunde.
Als Referenzbier diente das Pils der Oettinger-Brauerei, da es als eines der fehlaromenärmsten gilt, keine ausgeprägten Geschmacksnuancen hat und immer gleich schmeckt.
Die Ampullen mit den Fehlaromen kamen vom Doemens-Institut, dem derzeit führenden Anbieter der Biersommeliers-Ausbildung in Deutschland.
Für die Tests wurde das Fehlaroma jeweils einer Menge Referenzbier zugegeben und das Gemisch an die Teilnehmer*innen verteilt.
Nach dem Einschenken gab es eine kurze Raterunde, um welchen Fehlgeschmack es sich denn eigentlich handelt.
Ganz ins Leere musste hierbei nicht geraten werden, da Dozent Carsten zu Beginn des Seminars einen ganz guten Reader zu den einzelnen Fehlaromen ausgeteilt hatte.
Nachdem jeder sein Tipp abgegeben hatte, löste Carsten auf und gab noch ein paar ergänzende Erklärungen.
Kennenlernen durften wir im Laufe des Seminars:
- Diacetyl
- Acetaldehyd
- DMS
- Metallisch
- Oxidation
- Isovalerionsäure
- Buttersäure
- Brett / Ethylphenol
- Chlorphenol
- Methanthiolone
Für den Jan stellt sich die Frage, ob er kaputt ist.
Die meisten Fehlaromen konnte er nicht mal schmecken, als sie benannt worden waren.
Julia hat sich ein bisschen leichter getan.
Alternativ könnten die Gemische nicht ordentlich vermengt worden sein, so wäre bei Jan als letztem in der Reihe einfach fast reines Referenzbier im Glas gelandet.
Man kann sich aber – das ist unsere Schlussfolgerung und unser Plan – leicht selbst alle Zutaten für ein Fehlaromenseminar besorgen.
Mit ein bisschen theoretischer Vorbereitung ist das sicher ein Spaß für einen Abend mit Freunden.
Die Ampullen für einen Abend kosten jedoch etwa 100-120€.
Teeseminar
Weil wir nicht Mitglieder des Haus- und Hobbybrauerverbands sind, wäre das Programm am Samstagabend eigentlich rum gewesen.
Die Mitgliederversammlung am Sonntagvormittag geht uns ja nichts an.
Jedoch konnten die Veranstalter noch einen lokalen Kaffeeröster für das Ausrichten eines Teeseminars gewinnen.
Und da wir schon recht viel Tee konsumieren, haben wir Sonntagfrüh also zwei Stunden lang über Tee geredet und natürlich auch Tee getrunken: Weißen, grünen, schwarzen und (Milky) Oolong.
Danach noch kurz einkaufen (sonntags, mit Rabatt) und schon waren wir für den folgenden Urlaub ausgerüstet und einen Lieblingstee reicher.
Resumée
Haben wir schon erwähnt, dass die HHBT eine schöne Veranstaltung waren?
Kann man nicht oft genug.
Familiär und sehr viel gutes Bier.
Dazu haben wir das ein oder andere gelernt und sind mit vielen Gläsern nach Hause gekommen (ja, die sind tatsächlich alle heile geblieben).
Definitive Hingehempfehlung!
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