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Von Einschalten bis Einschenken

Ein Plan steht: Ich werde Bier brauen. Noch Ausrüstung und Zutaten kaufen, dann habe ich nächste Woche meinen ersten Sud fertig. Und dann warte ich zwei Monate, bis ich das Produkt trinken kann.

Vielleicht war ich bei meinem Einsteig ins Hobby etwas naiv und dachte, das Ganze ginge etwas schneller. Etwas enttäuscht war ich auf jeden Fall über die lange Zeit bis zum fertigen Bier. Inzwischen plane ich meine Sude nach ihrer gesamten Dauer: vom Einschalten der Kochplatte bis zum Einschenken ins Glas. Und genau Information bzw. Ansätze dazu hatten mir in meiner Einstiegslektüre gefehlt: Wie lange dauert es eigentlich, bis ich mein selbstgebrautes Bier trinken kann?

Welche Phasen durchlaufen wir überhaupt bei diesem Prozess?

Ganz grob lässt sich die Frage wie folgt beantworten:

  1. Vorbereitung (Dauer variabel)
  2. Brautag (ziemlich genau 6 Stunden)
  3. Hauptgärung (1-2 Wochen)
  4. Flaschengärung & Reifung (2-7 Wochen)

Bemerkung am Rande: Bei unserem Brombier kommt zwischen Schritt 2 und 3 noch die milchsaure Gärung und nach der Hauptgärung die Fruchtzugabe, deswegen fällt das hier als unser langsamstes Bier etwas aus der Reihe. Offensichtlich variieren die möglichen Zeiträume zwischen drei und neun Wochen (und dem Brombier mit seinen drei Monaten).

Das Liquid State haben wir an der National Chenk Kung University in Tainan gebraut und dort im Serverraum gären lassen. Auf dem kleinen Bottich steht ein Hinweis, das Fass unberührt zu lassen. Primär wegen der Temperatur, aber auch um möglichst wenig Anstoß zu erregen, haben wir ein schnelles obergäriges Bier gewählt. Das Liquid State, weil im echten Leben bereits Forschung am Solid State stattgefunden hat.

Woher kommen diese Schwankungen?

Typischerweise brauchen untergärige Biere länger als obergärige. Letztere reifen zudem schneller. Zur Unterscheidung der Hefetypen gibt es einige gute Literatur (Links am Ende). Hier nur so viel: In meiner Vorstellung befördert die höhere Temperatur die Gärung und die obergärigen Hefen sind insgesamt aktiver. Deshalb kann die Hauptgärung nach einer Woche abgeschlossen sein, die anschließende Flaschengärung/-reifung nach zwei weiteren. In der Regel braucht das allerdings länger und ein paar Tage dranzuhängen ist fast immer eine gute Idee. Zu lange Reifung ist nur bei hopfenbetonten Stilen (insbesondere IPAs) schlecht.

Was passiert bei zu kurzer Gärung und Reifung?

Am Brautag verwandeln wir die Maische in Zuckerwasser: alle Stärke aus unserem Malz wird von fleißigen Enzymen in Zucker umgewandelt – und zwar in kürzer- und längerkettige. Die kürzerkettigen verwandelt die Hefe während der Hauptgärung in CO2 und Alkohol. Das CO2 dampft dabei aus. Damit das Bier trotzdem spritzig ist, geben wir direkt vor dem Abfüllen in die Flaschen noch Zucker oder Speise (zurückgehaltene unvergorene Würze) hinzu. Die nehmen die verbliebenen noch lebendigen Hefezellen als neuen Nährstoff während der Nachgärung.

Die Speise- bzw. Zuckergabe muss genau berechnet sein, um die gewünschte Menge CO2 zu erhalten (4-8 mg pro Liter). Ist die Hauptgärung noch nicht ganz abgeschlossen, entsteht während der Nachgärung zu viel Kohlensäure und dann könnten Flaschen im schlimmsten Fall sogar platzen. Das ist Gefahr Nummer 1 und wohl der unangenehmste Nebeneffekt zu großer Eile. Unterschätzt das nicht! Im Zweifel platzt euch die Flasche in der Hand.

Blöd aber nicht so schädlich ist eine zu kurze Nachgärung. Das Bier ist dann zu lasch und schmeckt noch nach Würze, also sehr malzig. Schon für euch probiert. Bitte. Gern geschehen.

Was bedeutet das?

Mein erstes Bier hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen und es ist auch wunderbar geworden. Aber es hat 7 Wochen Wartezeit bedeutet. Zum ungeduldigen Einstieg eignen sich obergärige Biere wohl besser, denn dann vergeht nur knapp ein Monat bis zum ersten Genuss.

Take-Home-Message 1: Obergärige Biere sind die schnellsten.

Inzwischen plane ich meine Sude nach Zeit, die sie den Gärkessel und den Gärkühlschrank belegen. Währenddessen müssen weitere Brauvorgänge nämlich warten. Ein Zyklus, der gut funktioniert:

  1. ein schnelles obergäriges Bier (Tempest, DOCROOT oder ein Krak <- die bisher undokumentierte Hopfenweiße)
  2. ein untergäriges (Mezzoforte, Elektron oder Orkmedizin)
  3. ein Brombier

Dadurch haben wir recht schnell (~4 Wochen) etwas im Glas und sind einigermaßen kontinuierlich versorgt. Sobald absehbar ist, dass wieder 1 oder 2 Kästen frei sind, geht die Planung von vorne los. Die umgekehrte Planung hieße, erst nach etwas über 3 Monaten neues eigenes Bier zu haben, dann aber gleich alles auf einen Schlag.

Take-Home-Message 2: Überlegt beim Planen eurer Sude, wie lange sie euch davon abhalten, andere Biere zu brauen.

Wenn ihr mehrere Gärbottiche und viel Platz zum Lagern habt, erleichtert das einiges. Unser stärkstes Objekt, die Orkmedizin, brauen wir nur in kleinen Mengen und dann im 5-Liter-Ballon. Das ermöglicht, parallel zu arbeiten.

Links am Ende:

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